Smile and let the pain rush away.

How big will you dream?

How hard will you fight?

How loud will you scream,

so that you can make things right?

Schweißgebadet springe ich auf. Meine Augen sind verquollen. Tränen laufen mir die Wange runter. Ich schluchze, stehe auf, schaue in den Spiegel und fahre vorsichtig mit dem Finger über meine Augen, meine Wangen. Alles nass, alles so fremd. Bin das wirklich ich im Spiegel? Sehe ich wirklich so schwach, so fertig aus? Ich gucke noch einmal genauer hin, mustere mein Gesicht, fange bei meinen Haaren an. Sie sehen auch nicht mehr so prachtvoll und voll aus wie sie einmal waren. Kann es sein, dass meine Farbe verblasst? Sie sind sehr strohig und kaputt, genauso wie ich mich fühle, so kraftlos. In meinem Augen kann ich einen verstummten Hilfeschrei sehen. Ja ich sehe wirklich mich, wie ich versuche zu schreien, aber keiner mich hört. Ich sehe Einsamkeit und Schmerz, Hilflosigkeit. Aber was ist das? Sehe ich da etwa meine Wünsche? Meine Sehnsüchte? Sehe ich vielleicht auch Ihn? Ein perfekter Körper erscheint auf der Bildfläche. Meine Augen füllen sich mit Tränen. Die Perfektion ist zum Greifen nahe. Ich versuche nach ihr zu greifen, doch  in diesem Moment wechselt das Bild und ich sehe überall das verbotene Essen. Kuchen, Eis, Schokolade, Nudeln, Reis, Chips, Gummibärchen, Pizza, Lasagne.. Die ersten Tränen laufen langsam aber geballt meine Wange herunter. Ich rieche die Gerüche der Lebensmittel, schmecke sie, vorwärts und rückwärts. Als ich das Bild vom Kotzen vor meinen Augen habe, erkenne ich ein schwaches, ängstliches Mädchen. Sie schluchzt, schlägt sich den Kopf gegen den Schrank und drückt sich immer wieder mit der Faust in ihren Unterbauch. Sie scheint in Eile zu sein, verzweifelt. Kurz darauf weiß ich auch warum. Meine Mutter erscheint auf der Fläche. Sie schreit, beleidigt und schlägt das arme Mädchen. Sie schlägt mich. Das Gefühl von Hass nimmt mich ein. Ich werde Kreidebleich. Ein kalter Schauer läuft mir den Rücken hoch. Ich schließe meine Augen und beiße mir in die Lippe, besser als schreien. Nein, nein, nein ich will diese Bilder nicht mehr sehen, doch es geht weiter. Ich sehe mich auf einer Hochzeit. Ich sehe meine Freunde, wie sie tanzen, wie sie Kuchen essen, wie sie sich langsam aber sicher betrinken. Sie sehen so glücklich aus. Und dann sehe ich da mich. Mitten unter ihnen. Ich schaue meinen Teller lange an, überlege ob ich ihn anrühren soll. Versuche Konversationen anzufangen, um von meinem Essensproblem abzulenken. Versuche den Kuchen zu zerstückeln, sodass es aussieht, als hätte ich etwas gegessen. Minuten später sehe ich mich weinend in einem Rosengarten sitzen. Die eine Dorne  muss wohl meine Haut etwas aufgerissen haben, aber das scheint mir egal zu sein in diesem Moment. Ich spüre wie unwohl ich mich fühle, wie hilflos. Ich will das nicht sehen nein!  Und dann sehe ich da noch ihn. Diesen Typen der mich so verletzt. Nein halt ich sehe auch noch mich, in einer Ecke stehend. Er kommt näher. Ich ziehe ihn an mich ran, küsse ihn, so zärtlich, so vertraut fühlt es sich an, voller Liebe, voller Schmerz. Er tritt zurück und fängt an zu schreien, er schreit mich an. Redet mit mir wie man mit keiner Frau reden sollte. Ich versuche zurückzutreten, doch da ist die Wand, wo soll ich hin? Er kommt näher, ich habe Angst, dass er vielleicht ausholt, doch stattdessen weicht er zurück, schaut mich an und frägt mit diesem wundervollem Blick " Warum tust du mir das an? "  

Ich verdecke hastig mit meinen Händen meine Augen. Ich will das alles nicht sehen. Es tut weh, es schmerzt. Diese Einsicht, dass ich essen will, aber auf der anderen Seite diese Perfektion ist, macht mir zu schaffen, aber auch der Typ für den ich Hass und Liebe zugleich verspüre. Meine Mutter, die es nie gut mit mir meint, allgemein meine Familie. Meine Freunde, die denken es würde mir gut gehen, die nicht sehen wie ich zu kämpfen habe, alles macht mir zu schaffen, es wird zu viel. Ich will ausbrechen.

Mein Atem wird langsam schwer. Mein Blick fällt auf meinen Mund, der schon lange keine Kurve mehr gezeigt hat, der schon lange nicht mehr aus Leidenschaft gelacht gelacht hat. Ist er nach unten gebogen? Bewegt er sich? Sage ich gerade etwas, was ich selber nicht verstehen kann? Immer wieder die selben Bewegungen. Ich schaue genau hin, versuche mit allen Mitteln heraus zu finden, was ich mir selber sagen will. Lasse das ABC öfters durch meinen Kopf gehen, bis mir klar wird, dass das verstummte Wort ein HILFE bedeuten soll. Vielleicht habe ich Hilfe wirklich nötig, aber kann ich sie einfach nicht annehmen, es geht nicht. Etwas in mir wehrt sich dagegen.

Ich schaue auf die Uhr. Es ist 2:47 Uhr morgens. Diese Träume, die mich immer wieder verweint aufstehen lassen, die mich immer wieder vor den Spiegel führen, müssen doch irgendetwas bedeuten, oder nicht?
xoxo, Jole